Ligaturen der gregorianischen Quadratnotation

Beschränkte Unterstützung für gregorianische Quadratneumen-Ligaturen (nach dem Stil der Editio Vaticana) ist vorhanden. Die wichtigsten Ligaturen können schon gesetzt werden, aber wichtige Eigenschaften anspruchsvoller Typographie wie horizontale Ausrichtung von mehreren Ligaturen, korrekte Silbenpositionierung und richtiger Umgang mit Versetzungszeichen fehlen noch.

Notenköpfe können verändert und/bzw. verbunden werden.

Eine Notenbezeichnung ohne jeglichen Modifikator produziert ein punctum. Alle anderen Neumen, auch einzelne Noten-Neumen mit einer anderen Form als der Virga werden generell als Ligaturen betrachtet und deshalb von den Zeichen \[...\] eingeklammert werden.

Einzelne Noten-Neumen:

Ligaturen

Anders als in anderen Neumennotationssystemen, wird das typographische Aussehen einer Ligatur nicht durch Eingabebefehle direkt vorgegeben, sondern richtet sich nach bestimmten Darstellungsregeln, die durch die musikalische Bedeutung bestimmt werden. Eine Ligatur mit drei Noten beispielsweise, mit der Form tief-hoch-tief, wie etwa \[ a \pes b \flexa g \], ergibt einen Torculus, der aus drei Punctum-Köpfen besteht, während die Form hoch-tief-hoch, wie etwa \[ a \flexa g \pes b \], einen Porrectus mit einer gebogenen Flexa und nur einem Punctum-Kopf ergibt. Es gibt keinen Befehl, mit dem explizit eine gebogene Flexa gesetzt werden können; die Entscheidung, wann eine derartige Form im Notenbild vorkommen soll, wird durch die musikalische Bedeutung der Noten vorgegeben. Die Idee hinter dieser Art der Eingabe ist es, dass der musikalische Inhalt von der graphischen Ausgabe getrennt wird. Dadurch wird es möglich, die gleiche Quelldatei zu benutzen, um beispielsweise die Noten in einem anderen Stil darzustellen.

Liquescente Neumen

Eine weitere Hauptkategorie der Notation von gregorianischem Choral sind die sogenannten liquescenten Neumen. Sie werden unter bestimmten Umständen am Ende einer Silbe eingesetzt, die auf einen „liquescenten“ Buchstaben endet (das sind die Konsonanten, die eine Tonhöhe haben können, also die Nasale, l, r, v, j und ihre diphtongalen Entsprechungen). Liquescente Neumen werden also nie alleine eingesetzt (auch wenn sie isoliert produziert werden können) und treten immer am Ende einer Silbe auf.

Liquescente Neumen werden graphisch auf zwei Arten dargestellt: mit einer kleineren Note oder indem die Hauptnote nach oben bzw. unten „gedreht“ wird. Die erste Darstellungsweise erreicht man, indem einen normalen pes oder flexa schreibt und dann die Form der zweiten Note verändert: \[ a \pes \deminutum b \] . Die zweite Darstellungsweise erreicht man, indem die Form einer einzelnen Neume mit \auctum und einem der Richtungsanzeiger \descendens bzw. \ascendens versieht: \[ \auctum \descendens a \] .

Spezielle Zeichen

Eine dritte Kategorie besteht aus einer kleinen Anzahl an Zeichen mit einer besonderen Bedeutung: die quilisma, der oriscus und der strophicus. Sie werden notiert, indem man vor die entsprechende Note den Modifikator \quilisma, \oriscus oder \stropha schreibt.

Im Grunde kann innerhalb der Ligaturbegrenzer \[ und \] eine beliebige Anzahl ans Notenköpfen eingefügt werden und Präfixe wie \pes, \flexa, \virga, \inclinatum usw. können beliebig untereinander kombiniert werden. Der Einsatz der Regeln, mit denen die Ligaturen konstruiert werden, wird entsprechend angepasst. Auf diese Art kann eine unendliche Anzahl an Ligaturen erstellt werden.

Die Benutzung der Notationszeichen folgt allerdings bestimmten Regeln, die nicht von LilyPond überprüft werden. Die quilisma beispielsweise findet sich immer als mittlere Note einer aufsteigenden Ligatur und fällt üblicherweise auf einen Halbtonschritt, aber es ist durchaus möglich, wenn auch nicht richtig, eine Quilisma bestehend aus einer Note zu notieren.

Neben den Notenformen definiert LilyPond auch die Befehle \versus, \responsum, \ij, \iij, \IJ und \IIJ, mit denen die entsprechenden Zeichen, etwa für den Text oder als Abschnittsmarkierung erstellt werden können. Diese Befehl benutzen bestimmte Unicode-Zeichen und funktionieren nur, wenn eine Schriftart vorhanden ist, die diese Zeichen unterstützt.

In der folgenden Tabelle wird eine begrenzte, aber dennoch repräsentative Anzahl an Ligaturen der Neumennotation dargestellt, denen Fragmente beigefügt sind, die die Notation in LilyPond zeigen. Die Tabelle basiert auf der erweiterten Neumentabelle des zweiten Bands des Antiphonale Romanum (Liber Hymnarius), 1983 von den Mönchen von Solsemes herausgegeben. Die erste Spalte zeigt die Bezeichnungen der Ligaturen, fett für die Normalform, kursiv für die liquescente Form. Die dritte Spalte zeigt Code-Schnipsel, mit denen die Ligatur notiert werden kann, wobei die Noten g, a und b als Tonhöhen eingesetzt werden.

Neumen aus einzelnen Noten

Grundform und liquescente FormAusgabeLilyPond-Code
Punctum

[image of music]

\[ b \]

[image of music]

\[ \cavum b \]

[image of music]

\[ \linea b \]
Punctum Auctum Ascendens

[image of music]

\[ \auctum \ascendens b \]
Punctum Auctum Descendens

[image of music]

\[ \auctum \descendens b \]
Punctum inclinatum

[image of music]

\[ \inclinatum b \]
Punctum Inclinatum Auctum

[image of music]

\[ \inclinatum \auctum b \]
Punctum Inclinatum Parvum

[image of music]

\[ \inclinatum \deminutum b \]
Virga

[image of music]

Ligaturen aus zwei Noten

Clivis vel Flexa

[image of music]

\[ b \flexa g \]
Clivis Aucta Descendens

[image of music]

\[ b \flexa \auctum \descendens g \]
Clivis Aucta Ascendens

[image of music]

\[ b \flexa \auctum \ascendens g \]
Cephalicus

[image of music]

\[ b \flexa \deminutum g \]
Podatus/Pes

[image of music]

\[ g \pes b \]
Pes Auctus Descendens

[image of music]

\[ g \pes \auctum \descendens b \]
Pes Auctus Ascendens

[image of music]

\[ g \pes \auctum \ascendens b \]
Epiphonus

[image of music]

\[ g \pes \deminutum b \]
Pes Initio Debilis

[image of music]

\[ \deminutum g \pes b \]
Pes Auctus Descendens Initio Debilis

[image of music]

\[ \deminutum g \pes \auctum \descendens b \]

Ligaturen mit mehr als zwei Noten

Torculus

[image of music]

\[ a \pes b \flexa g \]
Torculus Auctus Descendens

[image of music]

\[ a \pes b \flexa \auctum \descendens g \]
Torculus Deminutus

[image of music]

\[ a \pes b \flexa \deminutum g \]
Torculus Initio Debilis

[image of music]

\[ \deminutum a \pes b \flexa g \]
Torculus Auctus Descendens Initio Debilis

[image of music]

\[ \deminutum a \pes b \flexa \auctum \descendens g \]
Torculus Deminutus Initio Debilis

[image of music]

\[ \deminutum a \pes b \flexa \deminutum g \]
Porrectus

[image of music]

\[ a \flexa g \pes b \]
Porrectus Auctus Descendens

[image of music]

\[ a \flexa g \pes \auctum \descendens b \]
Porrectus Deminutus

[image of music]

\[ a \flexa g \pes \deminutum b \]
Climacus

[image of music]

\[ \virga b \inclinatum a \inclinatum g \]
Climacus Auctus

[image of music]

\[ \virga b \inclinatum a \inclinatum \auctum g \]
Climacus Deminutus

[image of music]

\[ \virga b \inclinatum a \inclinatum \deminutum g \]
Scandicus

[image of music]

\[ g \pes a \virga b \]
Scandicus Auctus Descendens

[image of music]

\[ g \pes a \pes \auctum \descendens b \]
Scandicus Deminutus

[image of music]

\[ g \pes a \pes \deminutum b \]

Special Signs

Quilisma

[image of music]

\[ g \pes \quilisma a \pes b \]
Quilisma Pes Auctus Descendens

[image of music]

\[ \quilisma g \pes \auctum \descendens b \]
Oriscus

[image of music]

\[ \oriscus b \]
Pes Quassus

[image of music]

\[ \oriscus g \pes \virga b \]
Pes Quassus Auctus Descendens

[image of music]

\[ \oriscus g \pes \auctum \descendens b \]
Salicus

[image of music]

\[ g \oriscus a \pes \virga b \]
Salicus Auctus Descendens

[image of music]

\[ g \oriscus a \pes \auctum \descendens b \]
(Apo)stropha

[image of music]

\[ \stropha b \]
Stropha Aucta

[image of music]

\[ \stropha \auctum b \]
Bistropha

[image of music]

\[ \stropha b \stropha b \]
Tristropha

[image of music]

\[ \stropha b \stropha b \stropha b \]
Trigonus

[image of music]

\[ \stropha b \stropha b \stropha a \]

Vordefinierte Befehle

Folgende Notenpräfixe sind unterstützt: \virga, \stropha, \inclinatum, \auctum, \descendens, \ascendens, \oriscus, \quilisma, \deminutum, \cavum, \linea.

Präfixe können kombiniert werden, wenn es hier auch Begrenzungen gibt. Zum Beispiel können die Präfixe \descendens oder \ascendens vor einer Note geschrieben werden, aber nicht beide für die selbe Note.

Zwei benachbarte Noten können mit den \pes und \flexa-Infixen verbunden werden, um eine steigende bwz. fallende Melodielinie zu notieren.

Die musikalische Funktion \augmentum muss benutzt werden, um augmentum-Punkte hinzuzufügen.

Siehe auch

Glossar: ligature.

Notationreferenz: Ligaturen der gregorianischen Quadratnotation, Weiße Mensuralligaturen, Ligaturen.

Bekannte Probleme und Warnungen

Wenn ein \augmentum-Punkt am Ende des letzten Systems innerhalb einer Ligatur gesetzt wird, ist er vertikal etwas falsch positioniert. Als Abhilfe kann eine unsichtbare Note (z. B. s8) als letzte Note im System eingegeben werden.

\augmentum sollte als Präfix implementiert sein, nicht als eigene musikalische Funktion, so dass \augmentum mit den anderen Präfixen in arbiträrer Reihenfolge notiert werden kann.


LilyPond Benutzerhandbuch v2.25.15 (Entwicklungszweig).