2.1.1 Übliche Notation für Vokalmusik

Dieser Abschnitt erklärt Eigenheiten und Probleme, die die meisten Arten an Vokalmusik gemeinsam haben.


Referenz für Vokalmusik

Dieser Abschnitt, wo man Lösungen zu den Problemen finden kann, die bei der Notation von Gesang mit Text auftreten können.

Siehe auch

Glossar: ambitus.

Handbuch zum Lernen: Einfache Lieder setzen.

Notationsreferenz: Textbeschriftung (Einleitung), Tonumfang, Partiturbeispiele für Chormusik.

Snippets: Vocal music.


Eingabe von Text

Gesangstext muss in einem speziellen Modus notiert werden. Der Gesangstextmodus kann mit der Umgebung \lyricmode angegeben werden, oder indem \addlyrics bzw. \lyricsto eingesetzt wird. In diesem Modus kann Text mit Akzenten und Satzzeichen notiert werden, und das Programm liest d nicht als die Tonhöhe D, sondern als eine Silbe Text. Anders gesagt: Silben werden wie Noten notiert, aber die Tonhöhen werden durch Text ersetzt.

Beispielsweise:

\lyricmode { Gern4 hätt’4 ich4 dich4 lieb!2 }

Es gibt zwei generelle Methoden, die horizontale Orientierung der Textsilben anzugeben, entweder indem ihre Dauer angegeben wird, wie oben in dem Beispiel, oder indem die Silben automatisch an den Noten ausgerichtet werden. Dazu muss entweder \addlyrics oder \lyricsto eingesetzt werden. Die erste Methode ist beschrieben in Manuelle Silbendauern, die zweite in Automatische Silbendauern.

Ein Wort oder eine Silbe beginnt mit einem alphabetischen Zeichen (inklusive einige andere Zeichen, siehe unten) und endet mit einem Leerzeichen oder einer Zahl. Die folgenden Zeichen in der Silbe können beliebig sein, außer Leerzeichen und Zahlen.

Jedes Zeichen, das nicht Leerzeichen noch Zahl ist, wird als Bestandteil der Silbe angesehen. Eine Silbe kann also auch mit } enden, was oft zu dem Fehler

\lyricmode { lah- lah}

führen kann. Hier wird } als Teil der letzten Silbe gerechnet, so dass die öffnende Klammer keine schließende Klammer hat und die Eingabedatei nicht funktioniert. Klammern sollten deshalb immer von Leerzeichen umgeben sein.

\lyricmode { lah lah lah }

Auch ein Punkt, der auf eine Silbe folgt, wird in die Silbe inkorporiert. Infolgedessen müssen auch um Eigenschaftsbezeichnungen Leerzeichen gesetzt werden. Ein Befehl heißt also nicht:

\override Score.LyricText.font-shape = #'italic

sondern

\override Score.LyricText.font-shape = #'italic

Punkte, Gesangstext mit Akzenten, verschiedene lateinische und nicht-lateinische Zeichen sowie auch etwa Sonderzeichen (wie ein Herz-Symbol) können direkt in die Notationsdatei geschrieben werden. Es muss dabei sichergestellt werden, dass die Datei in der UTF-8-Kodierung gespeichert wird. Zu mehr Information siehe Sonderzeichen.

\relative { d''8 c16 a bes8 f e' d c4 }
\addlyrics { „Schad’ um das schö -- ne grü -- ne Band, }

[image of music]

Normale Anführungszeichen können im Gesangstext auch benutzt werden, aber sie müssen mit einem Backslash und weiteren Anführungszeichen begleitet werden:

\relative { \time 3/4 e'4 e4. e8 d4 e d c2. }
\addlyrics { "\"I" am so lone -- "ly,\"" said she }

[image of music]

Die vollständige Definition des Anfangs eines Wortes in LilyPond ist etwas komplizierter. Ein Wort im Gesangstextmodus beginnt mit einem alphabetischen Zeichen, _, ?, !, :, ', den Kontrollzeichen ^A bis ^F, ^Q bis ^W, ^Y, ^^, einem beliebigen 8-bit-Zeichen mit einem ASCII-Code größer als 127 oder einer zwei-Zeichen-Kombination aus einem Backslash, gefolgt von `, ', " oder ^.

Man hat sehr gut Möglichkeiten, die Erscheinung des Gesangstextes zu beeinflussen, wenn man dafür Textbeschriftungsbefehle einsetzt. Siehe hierzu Text formatieren.

Ausgewählte Schnipsel

Silben im Gesangstext formatieren

Textbeschriftungsmodus kann eingesetzt werden, um individuelle Silben im Gesangstext zu formatieren.

mel = \relative c'' { c4 c c c }
lyr = \lyricmode {
  Lyrics \markup { \italic can } \markup { \with-color #red contain }
  \markup { \fontsize #8 \bold Markup! }
}

<<
  \new Voice = melody \mel
  \new Lyrics \lyricsto melody \lyr
>>

[image of music]

Siehe auch

Handbuch zum Lernen: Lieder.

Notationsreferenz: Automatische Silbendauern, Schriftarten, Eingabe-Modi, Manuelle Silbendauern, Text formatieren, Sonderzeichen.

Referenz der Interna: LyricText.

Schnipsel: Text.


Text an einer Melodie ausrichten

Gesangstext wird gesetzt, wenn er in einem Lyrics-Kontext ausgewertet wird, siehe Was sind Kontexte?.

\new Lyrics \lyricmode { … }

Gesangstext kann an einer Melodie auf zwei Arten ausgerichtet werden:

Siehe auch

Handbuch zum Lernen: Text an einer Melodie ausrichten.

Notation Reference: Was sind Kontexte?, Automatische Silbendauern, Strophen, Manuelle Silbendauern, Dialog zur Musik.

Referenz der Interna: Lyrics.


Automatische Silbendauern

Die Silben des Gesangstextes können automatisch an einer Melodie ausgerichtet werden. Das ist auf drei Arten möglich:

In allen drei Methoden können Bindestriche zwischen den Silben oder Fülllinien hinter einem Wortende gezogen werden. Zu Einzelheiten siehe Fülllinien und Trennstriche.

Der Voice-Kontext, der die Melodie enthält, an der der Text ausgerichtet werden soll, darf noch nicht „gestorben“ sein, weil sonst aller Text danach verloren geht. Das kann passieren, wenn es Strecken gibt, in denen die Stimme pausiert. Zu Methoden, wie man Kontexte am Leben erhält, siehe Kontexte am Leben halten.

\lyricsto Benutzen

Gesangstext kann an einer Melodie automatisch ausgerichtet werdne, indem man den beannten Voice-Kontext mit der Melodie durch den Befehl \lyricsto angibt:

<<
  \new Voice = "melody" {
    a4 a a a
  }
  \new Lyrics \lyricsto "melody" {
    These are the words
  }
>>

[image of music]

Damit wird der Text an den Noten des benannten Voice-Kontextes ausgerichtet, der schon vorher existieren muss. Aus diesem Grund wird der Voice-Kontext normalerweise zuerst definiert, gefolgt vom Lyrics-Kontext. Der Gesangstext selber folgt dem \lyricsto-Befehl. Der \lyricsto-Befehl ruft den Gesangstextmodus automatisch auf, sodass man \lyricmode in diesem Fall auslassen kann. Standardmäßig werden die Silben unter den Noten angeordnet. Für andere Optionen siehe Gesangstext vertikal verschieben.

\addlyrics benutzen

Der \addlyrics-Befehl ist eigentlich nur eine Abkürzung für eine etwas kompliziertere LilyPond-Struktur, den man manchmal aus Bequemlichkeit einsetzen kann.

{ Noten }
\addlyrics { Gesangstext }

bedeutet das Gleiche wie

\new Voice = "bla" { Noten }
\new Lyrics \lyricsto "bla" { Gesangstext }

Hier ein Beispiel:

{
  \time 3/4
  \relative { c'2 e4 g2. }
  \addlyrics { play the game }
}

[image of music]

Weitere Strophen können mit weiteren \addlyrics-Abschnitten hinzugefügt werden:

{
  \time 3/4
  \relative { c'2 e4 g2. }
  \addlyrics { play the game }
  \addlyrics { speel het spel }
  \addlyrics { joue le jeu }
}

[image of music]

Der Befehl \addlyrics kann keine polyphonen Situationen bewältigen. In diesen Fällen sollen man \lyricsto benutzen.

associatedVoice benutzen

Die Melodie, an die der Gesangstext ausgerichtet wird, kann durch Setzen der associatedVoice-Eigenschaft geändert werden:

\set associatedVoice = "lala"

Der Wert der Eigenschaft (hier "lala") ist die Bezeichnung eines Voice-Kontextes. Aus technischen Gründen muss der \set-Befehl eine Silbe vor der Silbe gesetzt werden, auf die er wirken soll.

Ein Beispiel demonstiert das:

<<
  \new Staff <<
    \time 2/4
    \new Voice = "one" \relative {
      \voiceOne
      c''4 b8. a16 g4. r8 a4 ( b ) c2
    }
    \new Voice = "two" \relative {
      \voiceTwo
       s2 s4. f'8 e8 d4. c2
    }
  >>
% takes durations and alignment from notes in "one" initially
% then switches to "two"
  \new Lyrics \lyricsto "one" {
    No more let
    \set associatedVoice = "two"  % must be set one syllable early
    sins and sor -- rows grow.
  }
>>

[image of music]

Siehe auch

Notationsreferenz: Fülllinien und Trennstriche, Kontexte am Leben halten, Gesangstext vertikal verschieben.


Manuelle Silbendauern

In komplexer Vokalmusik kann es nötig sein, den Gesangstext vollkommen unabhängig von den Noten zu positionieren. In diesem Fall sollte man nicht \addlyrics bzw. \lyricsto benutzen, und auch keine associatedVoice definieren. Die Silben werden wie Noten notiert – indem die Tonhöhen durch den Text der Silbe ersetzt werden – und die Dauer jeder Silbe muss angegeben werden.

Standardmäßig werden die Silben links am entsprechenden musikalischen Moment ausgerichtet. Bindestriche zwischen den Silben können wie üblich gezogen werden, aber Fülllinien hinter dem Wortende können nicht gezogen werden, wenn es keine mit dem Text verknüpfte Melodie gibt.

Hier zwei Beispiele:

<<
  \new Voice = "melody" {
    \time 3/4
    c2 e4 g2 f
  }
  \new Lyrics \lyricmode {
    play1 the4 game4
  }
>>

[image of music]

<<
  \new Staff {
    \relative {
      c''2 c2
      d1
    }
  }
  \new Lyrics {
    \lyricmode {
      I2 like4. my8 cat!1
    }
  }
  \new Staff {
    \relative {
      c'8 c c c c c c c
      c8 c c c c c c c
    }
  }
>>

[image of music]

Diese Technik ist nützlich, wenn man Dialog zur Musik schreiben will, siehe Dialog zur Musik.

Um Silben an den Noten des entsprechenden musikalischen Moments zu zentrieren, muss associatedVoice auf die Bezeichnung des Stimmen-Kontext eingestellt werden, in dem sich die Noten befinden. Wenn associatedVoice definiert ist, können doppelte Bindestriche zwischen Silben und doppelte Unterstriche hinter Wörtern für Fülllinien benutzt werden:

<<
  \new Voice = "melody" {
    \time 3/4
    c2 e4 g f g
  }
  \new Lyrics \lyricmode {
    \set associatedVoice = "melody"
    play2 the4 game2. __
  }
>>

[image of music]

Siehe auch

Notationsreferenz: Dialog zur Musik, Kontexte am Leben halten.

Referenz der Interna: Lyrics, Voice.


Mehrere Silben zu einer Note

Um mehr als eine Silbe zu einer Note zuzuordnen, können die Silben mit geraden Anführungszeichen (") umgeben werden oder ein Unterstrich (_) benutzt werden, um ein Leerzeichen zwischen Silben zu setzen. Mit der Tilde (~) kann ein Bindebogen gesetzt werden.

{
  \relative { \autoBeamOff
    r8 b' c fis, fis c' b e, }
  \addlyrics { Che_in ques -- ta_e_in quel -- l'al -- tr'on -- da }
  \addlyrics { "Che in" ques -- "ta e in" quel -- l'al -- tr'on -- da }
  \addlyrics { Che~in ques -- ta~e~in quel -- l'al -- tr'on -- da }
}

[image of music]

Siehe auch

Referenz der Interna: LyricCombineMusic.


Mehrere Noten zu einer Silbe

Öfters, insbesondere in Alter Musik, wird eine einzige Silbe zu mehreren Noten gesungen, was als Melisma bezeichnet wird. Die Silbe eines Melismas wird normalerweise links an der ersten Note des Melismas ausgerichtet.

Melismen können direkt im Gesangstext definiert werden, indem ein Unterstrich (_) für jede Note notiert wird, die übersprungen werden soll.

Wenn ein Melisma an einer Silbe auftritt, die nicht die letzte eines Wortes ist, wird diese Silbe mit der folgenden durch wiederholte Trennstriche verbunden. Dies wird notiert, indem man zwei Trennstriche (--) nach der Silbe notiert.

Wenn ein Melisma an der letzten Silbe eines Wortes auftritt, wird eine Fülllinie vom Ende der Silbe bis zur letzten Note des Melismas gezeichnet. Das wird durch zwei Unterstriche (__) nach der Silbe notiert.

Es gibt fünf Arten, auf die ein Melisma angezeigt werden kann:

Man kann durchaus auch Binde- und Legatobögen sowie manuelle Balken benutzen, ohne dass sie Melismen bezeichnen, wenn melismaBusyProperties aufgerufen wird:

<<
  \new Voice = "melody" \relative {
    \time 3/4
    \set melismaBusyProperties = #'()
    c'4 d ( e )
    g8 [ f ] f4 ~ 4
  }
  \new Lyrics \lyricsto "melody" {
    Ky -- ri -- e e -- le -- i -- son
  }
>>

[image of music]

Andere Einstellungen für melismaBusyProperties können bneutzt werden, um nur eine Auswahl von Binde-, Legatobögen und Balken zur automatischen Melismenerkennung gelten zu lassen. Siehe melismaBusyProperties in Tunable context properties.

Alternativ kann auch ignoreMelismata auf wahr gesetzt werden, wenn alle Melisma-Bezeichnungen ignoriert werden sollen, siehe Strophen mit unterschiedlichem Rhythmus.

Wenn ein Melisma während einer Passage benötigt wird, in der melismaBusyProperties aktiviert ist, kann es durch einen einzelnen Unterstrich im Gesangstext für jede Note des Melismas angegeben werden:

<<
  \new Voice = "melody" \relative {
    \time 3/4
    \set melismaBusyProperties = #'()
    c'4 d ( e )
    g8 [ f ] ~ 4 ~ f
  }
  \new Lyrics \lyricsto "melody" {
    Ky -- ri -- _ e __ _ _ _
  }
>>

[image of music]

Vordefinierte Befehle

\autoBeamOff, \autoBeamOn, \melisma, \melismaEnd.

Siehe auch

Glossar: melisma.

Handbuch zum Lernen: Text an einer Melodie ausrichten.

Notation Reference: Kontexte am Leben halten, Automatische Silbendauern, Einstellung von automatischen Balken, Strophen mit unterschiedlichem Rhythmus.

Internals Reference: Tunable context properties.

Bekannte Probleme und Warnungen

Fülllinien zu Melismen werden nicht automatisch erkannt, sondern müssen manuell gesetzt werden.


Fülllinien und Trennstriche

Wenn die letzte Silbe eines Wortes auf ein Melisma fällt, wird das Melisma oft mit einer langen horizontalen Linie angezeigt, die nach dem Wort beginnt und mit der letzten Note des Melismas endet. Derartige Fülllinien werden mit einem doppelten Unterstrich ( __ ) eingegeben, wobei beachtet werden muss, dass er von Leerzeichen umgeben ist.

Achtung: Melismen werden mit Fülllinien angezeigt, die als doppelter Unterstrich notiert sind. Kurze Melismen können auch notiert werden, indem eine Note übersprungen wird. Hierzu wird ein einfacher Unterstrich notiert und keine Fülllinie gezogen.

Zentrierte Bindestriche zwischen den einzelnen Silben werden mit einem doppelten Bindestrich ( -- ) eingegeben, wobei beachtet werden muss, dass er von Leerzeichen umgeben ist. Der Bindestrich wird zwischen den Silben zentriert und seine Länge dem Notenabstand angepasst.

In sehr eng notierter Musik können die Bindestriche ganz wegfallen. Dieses Verhalten kann aber auch unterbunden werden, wenn den Eigenschaften minimum-distance (minimaler Abstand zwischen Silben) und minimum-length (Wert, unterhalb von dem Bindestriche wegfallen) andere Werte erhalten. Beide sind Eigenschaften von LyricHyphen.

Siehe auch

Referenz der Interna: LyricExtender, LyricHyphen.


LilyPond – Notationsreferenz v2.23.82 (Entwicklungszweig).