2.9.3 Mensurale Musik setzen


Mensural-Kontexte

Die vordefinierten Kontexte MensuralVoice und MensuralStaff können eingesetzt werden, um ein Stück in Mensuralnotation zu schreiben. Die Kontexte initialisieren alle relevanten Eigenschaften und graphischen Objekte, so dass unmittelbar mit der Notation begonnen werden kann. Siehe das folgende Beispiel:

\score {
  <<
    \new MensuralVoice = "discantus" \transpose c c' {
      \hide Score.BarNumber {
        c'1\melisma bes a g\melismaEnd
        f\breve
        \[ f1\melisma a c'\breve d'\melismaEnd \]
        c'\longa
        c'\breve\melisma a1 g1\melismaEnd
        fis\longa^\signumcongruentiae
      }
    }
    \new Lyrics \lyricsto "discantus" {
      San -- ctus, San -- ctus, San -- ctus
    }
  >>
}

[image of music]

Siehe auch

Glossar: mensural notation.


Mensurale Schlüssel

In der Tabelle unten werden alle Mensuralschlüssel gezeigt, die mit dem \clef-Befehl erreicht werden. Manche Schlüssel benutzen dasselbe Zeichen, unterscheiden sich aber in der Notenlinie, auf der der Schlüssel notiert wird. In diesem Fällen ist eine Nummer im Schlüsselnamen eingefügt, nummeriert von unten nach oben. Man kann aber trotzdem eine beliebige Nummer erzwingen, wie es im Abschnitt Notenschlüssel beschrieben wird. Die Note, die rechts von jedem Schlüssel gesetzt ist, zeigt das c' in Bezug zu dem jeweiligen Schlüssel.

Petrucci hat C-Schlüssel benutzt, die unterschiedlich ausbalancierte vertikale Balken auf der linken Seite hatten, je nachdem, auf welcher Notenlinie er sich befand.

BeschreibungUnterstützte SchlüsselBeispiel
Mensuraler C-Schlüssel im historischen Stilmensural-c1, mensural-c2,
mensural-c3, mensural-c4

[image of music]

Mensuraler F-Schlüssel im historischen Stilmensural-f

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Mensuraler G-Schlüssel im historischen Stilmensural-g

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Mensuraler C-Schlüssel im modernen Stilneomensural-c1, neomensural-c2,
neomensural-c3, neomensural-c4

[image of music]

Mensuraler C-Schlüssel im Petrucci-Stil, zur Benutzung auf verschiedenen Notenlinien (im Beispiel den Schlüssel auf der zweiten Linie)petrucci-c1, petrucci-c2,
petrucci-c3, petrucci-c4,
petrucci-c5

[image of music]

Mensuraler F-Schlüssel im Petrucci-Stil, kann auf verschiedenen Notenlinien benutzt werden (im Beispiel auf der dritten Linie)petrucci-f3, petrucci-f4,
petrucci-f5

[image of music]

Mensuraler G-Schlüssel im Petrucci-Stilpetrucci-g

[image of music]

Siehe auch

Glossar: mensural notation, clef.

Notationsreferenz: Notenschlüssel.

Bekannte Probleme und Warnungen

Der mensurale G-Schlüssel ist als Petrucci-G-Schlüssel deklariert.


Mensurale Taktartenbezeichnungen

LilyPond besitzt beschränkte Unterstützung für Mensurzeichen (die den heutigen Taktarten ähneln, aber doch einige Eigenheiten haben). Die Symbole sind starr verknüpft mit bestimmten Brüchen. Darum müssen die Werte n und m der folgenden Tabelle in den Befehl \time n/m eingesetzt werden, um die entsprechenden Symbole zu erhalten.

[image of music]

Mit der style-Eigenschaft des Objektes TimeSignature können die Taktarten angewählt werden. Unterstützte Stile sind: neomensural und mensural. In der Tabelle oben wurde der neomensurale Stil verwendet. Im folgenden Beispiel sind die unterschiedlichen Stile dargestellt.

[image of music]

Siehe auch

Glossary: mensural notation.

Notationsreferenz: Taktangabe.

Bekannte Probleme und Warnungen

Die Verhältnisse der Notenwerte können nicht bei Mensurwechsel geändert werden, weil sie nicht konstant sind. Zum Beispiel kann das Verhältnis 1 brevis = 3 semibrevis (tempus perfectum) manuell erstellt werden, indem folgende Variable erstellt wird:

breveTP = #(ly:make-duration -1 0 3/2)
…
{ c\breveTP f1 }

Hiermit wird die Variable breveTP auf den Wert „3/2 mal 2 = 3 mal eine Ganze“ gesetzt.

Die Symbole mensural68alt und neomensural68alt (alternative Symbole für 6/8) können nicht mit dem \time-Befehl. Anstelle dess muss \markup {\musicglyph "timesig.mensural68alt" } benutzt werden.


Mensurale Notenköpfe

Für die Mensuralnotation kann ein Notenkopfstil ausgewählt werden, der sich vom Standard (default) unterscheidet. Dies wird erreicht, indem die style-Eigenschaft des Notenkopf-(NoteHead)-Objekts auf einen der Werte baroque, neomensural, mensural, petrucci, blackpetrucci oder semipetrucci gesetzt wird.

Der barocke (baroque) Stil unterscheidet sich vom Standard (default) folgendermaßen:

Die Stile neomensural, mensural und petrucci unterscheiden sich vom barocken Stil folgendermaßen:

Der blackpetrucci-Stil erstellt Notenköpfe zur Benutzung für die schwarze Mensuralnotation oder coloratio-Abschnitten in der weißen Menusralnotation. Weil der Notenkopfstil nicht die Anzahl der Fähnchen beeinflusst, muss eine Semiminia in diesem Stil als a8*2 notiert werden, nicht als a4, weil sie sonst wie eine Minima aussehen würde. Der Faktor, mit dem der Notenwert multipliziert wird, kann sich ändern, wenn coloratio etwa zur Notation von Triolen eingesetzt wurde.

Mit dem semipetrucci-Stil können halb-schwarze Notenköpfe notiert werden (Brevis, Longa und Maxima).

Das folgende Beispiel zeigt den Petrucci-Stil:

\set Score.skipBars = ##t
\autoBeamOff
\override NoteHead.style = #'petrucci
a'\maxima a'\longa a'\breve a'1 a'2 a'4 a'8 a'16 a'
\override NoteHead.style = #'semipetrucci
a'\breve*5/6
\override NoteHead.style = #'blackpetrucci
a'8*4/3 a'
\override NoteHead.style = #'petrucci
a'\longa

[image of music]

Siehe auch

Glossar: mensural notation, note head.

Notationsreferenz: Notenkopfstile.


Mensurale Fähnchen

Mit der Fähnchen-(flag-style)-Eigenschaft der graphischen Objekte „Hals“ (Stem) können auch Mensuralfähnchen gesetzt werden. Neben dem Standardstil (default) ist nur (mensural) unterstützt.

\override Flag.style = #'mensural
\override Stem.thickness = #1.0
\override NoteHead.style = #'mensural
\autoBeamOff
c'8 d'8 e'8 f'8 c'16 d'16 e'16 f'16 c'32 d'32 e'32 f'32 s8
c''8 d''8 e''8 f''8 c''16 d''16 e''16 f''16 c''32 d''32 e''32 f''32

[image of music]

Dabei ist die innerste Fahne immer vertikal auf eine Notenlinie ausgerichtet.

Es gibt keinen eigenen Stil für den neomensuralen oder Petrucci-Stil. Für die Notation des Gregorianischen Chorals gibt es keine Fähnchen.

Siehe auch

Glossar: mensural notation, flag.

Bekannte Probleme und Warnungen

Die Positionierung der Fähnchen an den Hälsen ist leicht verschoben.

Vertikale Ausrichtung der Fähnchen an einer Notenlinie geht von der Annahme aus, dass der Hals entweder genau auf einer Notenlinie oder genau zwischen zwei Notenlinien endet. Das ist aber nicht unbedingt immer der Fall, weil LilyPond komplizierte Methoden zur Ermittlung des besten Layouts verwendet. Diese Methoden sollten aber eigentlich nicht zur Notation von mensuraler Musik eingesetzt werden.


Mensurale Pausen

Besondere Pausensymbole für die Notation der Alten Musik können mit der style-Eigenschaft des graphischen Objektes (grob) „Pause“ (Rest) angewählt werden. Unterstützte Stile sind klassisch (classical), neomensural und mensural. Der klassische (classical) Stil unterscheidet sich vom Standardstil (default) nur darin, dass die Viertelpause wie eine gespiegelte Achtelpause aussieht. Der mensurale und neomensurale Stil ahmt die Form von Pausen nach, wie man sie in Drucken bis zum 16. Jahrhundert finden kann.

Das folgende Beispiel demonstriert den mensuralen und den neomensuralen Stil:

\set Score.skipBars = ##t
\override Rest.style = #'classical
r\longa^"classical" r\breve r1 r2 r4 r8 r16 s \break
\override Rest.style = #'mensural
r\longa^"mensural" r\breve r1 r2 r4 r8 r16 s \break
\override Rest.style = #'neomensural
r\longa^"neomensural" r\breve r1 r2 r4 r8 r16

[image of music]

Es gibt keine 32-stel- und 64-stel-Pausen für den mensuralen oder neomensuralen Stil. Anstatt dessen werden die Pausenformen des Standardstiles verwendet.

Eine Liste aller Pausen findet sich in Ancient notation.

Siehe auch

Notationsreferenz: Pausen.

Schnipsel: Ancient notation.

Bekannte Probleme und Warnungen

Das Zeichen für die Maxima-Pause im mensuralen Stil ist eigentlich eine perfekte Longa-Pause: zwei (oder drei) Longa-Pausen müssen benutzt werden, um eine Maxima-Pause zu setzen. Longa-Pausen werden nicht automatisch gruppiert, sodass man das manuell vornehmen muss, indem man Pausen mit Tonhöhe einsetzt.


Mensurale Versetzungszeichen und Tonartbezeichnung

Der mensural-Stil stellt ein Kreuz und ein B zur Verfügung, die sich vom Standardstil unterscheiden. Wenn das Auflösungszeichen notiert wird, wird es aus dem vaticana-Stil gesetzt.

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Der Stil für Versetzungszeichen und Vorzeichen wird durch die alteration-glyph-name-alist-Eigenschaft der Grobs Accidental und KeySignature bestimmt, also etwa folgendermaßen:

\override Staff.Accidental.alteration-glyph-name-alist =
  #alteration-mensural-glyph-name-alist

Siehe auch

Glossar: mensural notation, Pitch names, accidental, key signature.

Notationsreferenz: Tonhöhen, Versetzungszeichen, Automatische Versetzungszeichen, Tonartbezeichnung.

Referenz der Interna: KeySignature.


Vorgeschlagene Versetzungszeichen (musica ficta)

In der europäischen Notation bis etwa 1600 wurde von Sängern erwartet, dass sie eigenständig Noten nach bestimmten Regeln chromatisch veränderten. Das wird als musica ficta bezeichnet. In modernen Transkriptionen werden diese Versetzungszeichen üblicherweise über die Note notiert.

Es ist möglich, derartige Versetzungszeichen zu notieren, und die Anzeige kann zwischen normaler Satzweise und musica ficta hin- und hergewechselt werden. Hierzu muss suggestAccidentals auf wahr gesetzt werden:

[image of music]

Damit wird jedes folgende Versetzungszeichen über dem System gesetzt werden, bis die Eigenschaft mit \set suggestAccidentals = ##f wieder zum Standardverhalten verändert wurde. Eine praktischere Lösung ist es, \once \set suggestAccidentals = ##t zu benutzen, was man als Variable definieren kann:

ficta = { \once \set suggestAccidentals = ##t }
\score { \relative
  \new MensuralVoice  {
	\once \set suggestAccidentals = ##t
  bes'4 a2 g2 \ficta fis8 \ficta e! fis2 g1
  }
}

[image of music]

Siehe auch

Referenz der Interna: Accidental_engraver, AccidentalSuggestion.


Weiße Mensuralligaturen

Begrenzte Unterstützung für Ligaturen der weißen Mensuralnotation ist vorhanden.

Um weiße Mensuralligaturen zu benutzen, muss innerhalb des Layout-Blocks im Voice-Kontext der Mensural_ligature_engraver aktiviert werden und gleichzeitig der Ligature_bracket_engraver (der die Klammern über den Noten setzt) entfernt werden, wie im Beispiel.

\layout {
  \context {
    \Voice
    \remove Ligature_bracket_engraver
    \consists Mensural_ligature_engraver
  }
}

Zusätzlich zu diesen Einstellungen gibt es keine eigenen Befehle, die die Form einer Ligatur bestimmen. Die Form wird vielmehr aus Tonhöhen und Tondauern der in Klammern gesetzten Noten geschlossen. Diese Herangehensweise erfordert einige Eingewöhnung, hat aber den großen Vorteil, dass der musikalische Inhalt der Ligatur dem Programm bekannt ist. Das ist nicht nur notwendig für korrekte MIDI-Ausgabe, sondern erlaubt es auch, automatische Transkriptionen von Ligaturen anzufertigen.

An bestimmten Stellen können zwei aufeinanderfolgende Noten entweder als zwei Quadrate oder eine Obliqua (Flexa) dargestellt werden. In derartigen Fällen ist die Quadratform der Standard, aber die Obliqua kann verlangt werden, indem man die ligature-flexa-Eigenschaft des zweiten Notenkopfes setzt. Die Länge der Obliqua kann durch die Notenkopfeigenschaft flexa-width definiert werden.

Eine Datei kann zum Beispiel so aussehen:

\score {
  \transpose c c' {
    \set Score.timing = ##f
    \set Score.measureBarType = ""
    \override NoteHead.style = #'petrucci
    \override Staff.TimeSignature.style = #'mensural
    \clef "petrucci-g"
    \[ c'\maxima g \]
    \[ d\longa
       \override NoteHead.ligature-flexa = ##t
       \once \override NoteHead.flexa-width = #3.2
       c\breve f e d \]
    \[ c'\maxima d'\longa \]
    \[ e'1 a g\breve \]
  }
  \layout {
    \context {
      \Voice
      \remove Ligature_bracket_engraver
      \consists Mensural_ligature_engraver
    }
  }
}

[image of music]

Wenn der Ligature_bracket_engraver nicht durch den Mensural_ligature_engraver ersetzt wird, werden die Noten wie folgt ausgegeben:

[image of music]

Siehe auch

Glossar: ligature.

Notationreferenz: Ligaturen der gregorianischen Quadratnotation, Ligaturen.

Bekannte Probleme und Warnungen

Die horizontale Positionierung ist sehr schlecht.

Versetzungszeichen können mit vorhergehenden Noten kollidieren.


LilyPond – Notationsreferenz v2.23.82 (Entwicklungszweig).