5.3.1 Sichtbarkeit und Farbe von Objekten

In Unterrichtsmaterial für den Musikunterricht wird oft eine Partitur dargestellt, in der bestimmte Notationselemente fehlen, so dass der Schüler die Aufgabe bekommt, die nachzutragen. Ein einfaches Beispiel ist etwa, die Taktstriche zu entfernen, damit der Schüler sie selber zeichnen kann. Aber die Taktstriche werden normalerweise automatisch eingefügt. Wie verhindern wir, dass sie ausgegeben werden?

Bevor wir uns hieran machen, sei daran erinnert, dass Objekteigenschaften in sogenannten Schnittstellen – engl. interface – gruppiert sind, siehe auch Eigenschaften, die Schnittstellen besitzen können. Das dient ganz einfach dazu, die Eigenschaften zusammenzufassen, die üblicherweise zusammen benötigt werden – wenn eine davon für ein Objekt gilt, dann auch die anderen. Manche Objekte brauchen die Eigenschaften von der einen Schnittstelle, andere von einer anderen. Die Schnittstellen, die die Eigenschaften von einem bestimmten Grob beinhalten, sind in der IR unten auf der Seite aufgelistet, die dieses Grob beschreibt. Die Eigenschaften können betrachtet werden, indem die Seite der entsprechenden Schnittstelle geöffnet wird.

Zu Information, wie man Eigenschaften von Grobs findet, siehe Eigenschaften von Layoutobjekten. Wir benutzen also jetzt die selbe Methode um in der IR das Layout-Objekt zu finden, dass für die Taktstriche zuständig ist. Über die Überschriften Backend und All layout objects kommen wir zu einem Layout-Objekt mit der Bezeichnung BarLine (engl. Taktstrich). Seine Eigenschaften beinhalten zwei, die über die Sichtbarkeit entscheiden: break-visibility und stencil. BarLine unterstützt auch einige Schnittstellen, unter anderem grob-interface, wo wir eine transparent und eine color-Eigenschaft finden. Alle können die Sichtbarkeit von Taktstriche (und natürlich auch die Sichtbarkeit von vielen anderen Objekten) beeinflussen. Schauen wir uns diese Eigenschaften eine nach der anderen an.


Die stencil-Eigenschaft (Matrize)

Diese Eigenschaft kontrolliert die Erscheinung der Taktstriche, indem sie das Symbol bestimmt, das ausgegeben werden soll. Wie bei vielen anderen Eigenschaften auch, kann sie so eingestellt werden, dass sie nichts ausgibt, indem ihr Wert auf #f (falsch) gesetzt wird. Ein Versuch also, wie vorher, indem wir den impliziten Kontext (Voice) auslassen:

\relative {
  \time 12/16
  \override BarLine.stencil = ##f
  c''4 b8 c d16 c d8 |
  g,8 a16 b8 c d4 e16 |
  e8
}

[image of music]

Die Taktstriche werden aber immer noch angezeigt. Was ist da falsch gelaufen? Gehen Sie zurück zur IR und schauen Sie auf die Seite, die die Eigenschaften für BarLine angibt. Oben auf der Seite steht: „Barline objects are created by: Bar_engraver“. Schauen Sie sich die Bar_engraver-Seite an. Unten auf der Seite steht eine Liste der Kontexte, in denen der Takt-Engraver funktioniert. Alle Kontexte sind Staff-Typen (also Notensystem-Typen). Der Grund, warum der \override-Befehl nicht funktioniert hat, liegt also darin, dass das Taktstrich-Objekt (BarLine) sich nicht im Voice-Kontext befindet. Wenn der Kontext falsch angegeben wird, bewirkt der Befehl einfach gar nichts. Keine Fehlermeldung wird ausgegeben und auch nichts in die Log-Datei geschrieben. Versuchen wir also, den richtigen Kontext mit anzugeben:

\relative {
  \time 12/16
  \override Staff.BarLine.stencil = ##f
  c''4 b8 c d16 c d8 |
  g,8 a16 b8 c d4 e16 |
  e8
}

[image of music]

Jetzt sind die Taktstriche wirklich verschwunden. Setzen der stencil-Eigenschaft auf #f wird derart häufig verwendet, dass es dafür einen eigenen Befehl gibt, \omit:

\relative {
  \time 12/16
  \omit Staff.BarLine
  c''4 b8 c d16 c d8 |
  g,8 a16 b8 c d4 e16 |
  e8
}

[image of music]

Es sollte jedoch beachtet werden, dass das Setzen der stencil-Eigenschaft auf #f zu Fehlerhinweisen führen kann, wenn die Dimensionen des Objekts für die richtige Behandlung benötigt werden. Zum Beispiel werden Fehler ausgegeben, wenn die stencil-Eigenschaft des NoteHead-Objekts auf #f gesetzt wird. Wenn dieser Fall auftritt, kann anstatt dessen die point-stencil-Funktion benutzt werden, welche den Stencil auf ein Objekt mit der Größe Null setzt:

\relative {
  c''4 c
  \once \override NoteHead.stencil = #point-stencil
  c4 c
}

[image of music]


The break-visibility-Eigenschaft (unsichtbar machen)

Aus der Beschreibung der Eigenschaften für BarLine in der IR geht hervor, dass die break-visibility-Eigenschaft einen Vektor mit drei Booleschen Werten benötigt. Diese kontrollieren jeweils, ob die Taktstriche am Ende einer Zeile, in der Mitte einer Zeile und am Anfang einer Zeile ausgegeben werden. Wenn also alle Taktstriche unsichtbar sein sollen, wie in unserem Beispiel, brauchen wir den Wert #(#f #f #f), (den es auch unter dem symbolischen Namen all-invisible gibt). Versuchen wir es also, und berücksichtigen wir auch den Staff-Kontext. Beachten Sie auch, dass Sie ## vor der öffnenden Klammer schreiben müssen: # wird benötigt als Teil des Wertes, um einen Vektor zu signalisieren, und das erste # wird benötigt, um den Wert in einem \override-Befehl anzuführen.

\relative {
  \time 12/16
  \override Staff.BarLine.break-visibility = ##(#f #f #f)
  c''4 b8 c d16 c d8 |
  g,8 a16 b8 c d4 e16 |
  e8
}

[image of music]

Auch auf diesem Weg gelingt es, die Taktstriche unsichtbar zu machen.


Die transparent-Eigenschaft (durchsichtig)

Aus den Eigenschaftsdefinitionen auf der grob-interface-Seite in der IR geht hervor, dass die transparent-Eigenschaft boolesch ist. Mit #t (wahr) wird also ein Grob durchsichtig gemacht. Im unserem Beispiel soll jetzt die Taktart durchsichtig gemacht werden, anstatt die Taktstriche durchsichtig zu machen. Wir brauchen also wieder die Grob-Bezeichnung für die Taktart. Auf der „All layout objects“-Seite in der IR müssen wir die Eigenschaften des TimeSignature-Layout-Objekts suchen Das Objekt wird vom Time_signature_engraver erstellt, der sich auch im Staff-Kontext befindet und genauso das grob-interface unterstützt, wie Sie sich überzeugen können. Der Befehl, um die Taktangabe unsichtbar zu machen, ist also:

\relative {
  \time 12/16
  \override Staff.TimeSignature.transparent = ##t
  c''4 b8 c d16 c d8 |
  g,8 a16 b8 c d4 e16 |
  e8
}

[image of music]

Auch das Setzen der transparent-Eigenschaft ist ein recht häufige Operation und so gibt es auch hierfür eine Kurzform names \hide:

\relative {
  \time 12/16
  \hide Staff.TimeSignature
  c''4 b8 c d16 c d8 |
  g,8 a16 b8 c d4 e16 |
  e8
}

[image of music]

In beiden Fällen ist die Taktangabe ist verschwunden, aber mit diesem Befehl bleibt freier Platz, wo sich die Taktangabe eigentlich befinden würde. Das braucht man vielleicht für eine Schulaufgabe, in der die richtige Taktangabe eingefügt werden soll, aber in anderen Fällen ist diese Lücke nicht schön. Um auch die Lücke zu entfernen, muss stattdessen die Matrize (stencil) der Taktangabe auf #f (falsch) gesetzt werden:

{
  \time 12/16
  \override Staff.TimeSignature.stencil = ##f
  c4 b8 c d16 c d8 |
  g,8 a16 b8 c d4 e16 |
  e8
}

[image of music]

Und der Unterschied wird deutlich: Setzen des stencil auf #f (ggf. mittels \omit) entfernt das gesamte Objekt, während man mit transparent (was auch mittels \hide eingestellt werden kann) ein Objekt unsichtbar machen kann, es aber an seinem Platz gelassen wird.


Die color-Eigenschaft (Farbe)

Abschließend wollen wir die Taktstriche unsichtbar machen, indem wir sie weiß einfärben. (Es gibt hier eine Schwierigkeit: die weiße Taktstrich übermalt manchmal die Taktstriche, wo sie sie kreuzt, manchmal aber auch nicht. Sie können in den Beispielen unten sehen, dass das nicht vorhersagbar ist. Die Einzelheiten dazu, warum das passiert und wie sie es kontrollieren können, werden dargestellt in Objekte weiß malen. Im Moment wollen wir lernen, wie man mit Farbe arbeitet, akzeptieren Sie bitte an dieser Stelle die Beschränkung.)

Das grob-interface bestimmt, dass der Wert der Farb-Eigenschaft eine Liste ist, aber es gibt keine Erklärung, was für eine Liste das sein soll. Die Liste, die benötigt wird, ist eine Liste mit Werten in internen Einheiten, aber damit Sie nicht wissen müssen, wie diese aussehen, gibt es mehrere Wege, Farben anzugeben. Der erste Weg ist es, „CSS“-Farben zu benutzen, wie sie Liste der Farben aufgelistet sind. Beachten Sie, dass die Bezeichnungen auf Englisch sind. Um die Taktstriche auf weiß zu setzen, können Sie schreiben:

\relative {
  \time 12/16
  \override Staff.BarLine.color = "white"
  c''4 b8 c d16 c d8 |
  g,8 a16 b8 c d4 e16 |
  e8
}

[image of music]

und die Taktstriche verschwinden in der Tat. Beachten Sie, dass white nicht mit einem Apostroph angeführt wird – es ist kein Symbol, sondern eine Zeichenkette, die einer vordefinierten Liste von internen Werten zugeordnet ist. Hier orierntiert LilyPonds Syntax sich an CSS, die oft auf Webseiten genutzt werden. Zusätzlich zu den vordefinierten Farben können wir auch hexadezimale Codes verwenden:

\relative {
  \time 12/16
  \override Staff.BarLine.color = "#FFFFFF"
  c''4 b8 c d16 c d8 |
  g,8 a16 b8 c d4 e16 |
  e8
}

[image of music]

Wir könnten diese Farbe auch als Variable definieren und dann diese Variable benutzen, um die Eigenschaft zu definiren. Da es sowohl eine LilyPond-Variable ein Scheme-Objekt ist, kann es ohne Unterschied mit einem Backslash und einem Hash genutzt werden:

whiteVar = "#FFFFFF"

\relative {
  \time 12/16
  \override Staff.BarLine.color = \whiteVar
  c''4 b8 c d16 c d8 |
  \override Staff.BarLine.color = #whiteVar
  g,8 a16 b8 c d4 e16 |
  e8
}

[image of music]

Ein weiterer Weg zum Hinzufügen von Farben zu einer Partitur ist das Benutzen einer Funktion. Hier gibt es zwei nützliche Funktionen; eine ist die Funktion x11-color, die wir in Kürze sehen werden. Die andere, rgb-color, zeigt LilyPonds interne Logik: Sie braucht drei Argumente, um die Stärke von Rot, Grün und Blau darzustellen. Die Werte befinden sich zwischen 0 und 1. Um also die Farbe Rot darzustellen, muss der Wert der Funktion lauten: (rgb-color 1 0 0), weiß würde sein: (rgb-color 1 1 1).

\relative {
  \time 12/16
  \override Staff.BarLine.color = #(rgb-color 1 1 1)
  c''4 b8 c d16 c d8 |
  g,8 a16 b8 c d4 e16 |
  e8
}

[image of music]

Es ist zu beachten, dass in diesem Fall der gesamte Funktionsaufruf in Klammern eingeschlossen werden muss. Das gleiche kann über die Funktion x11-color gesagt werden, die wir übersprungen haben.

x11-color ordnet ebenfalls vordefinierte Farbnamen internen Werten zu – aber bietet viel mehr Auswahl als CSS-Namen, wie in Liste der Farben zu sehen ist.

Die Menge der X11-Farben schließt beispielsweise eine weite Grauskala ein, die von schwarz ('grey0) bis weiß ('grey100) reicht, in Einerschritten. Wir wollen das illustrieren, indem alle Layout-Objekte im Beispiel verschiedene Grauschattierungen erhalten:

\relative {
  \time 12/16
  \override Staff.StaffSymbol.color = #(x11-color 'grey30)
  \override Staff.TimeSignature.color = #(x11-color 'grey60)
  \override Staff.Clef.color = #(x11-color 'grey60)
  \override Voice.NoteHead.color = #(x11-color 'grey85)
  \override Voice.Stem.color = #(x11-color 'grey85)
  \override Staff.BarLine.color = #(x11-color 'grey10)
  c''4 b8 c d16 c d8 |
  g,8 a16 b8 c d4 e16 |
  e8
}

[image of music]

Beachten Sie die Kontexte, die mit jedem einzelnen Layout-Objekt verbunden sind. Es ist wichtig, den richtigen Kontext einzusetzen, damit die Befehle funktionieren. Denken Sie daran, dass der Kontext sich daran orientiert, wo sich der entsprechende Engraver befindet. Den Standardkontext für Engraver finden Sie, indem Sie beim Layout-Objekt beginnen, zum Engraver gehen, der es produziert und auf der Seite des Engravers in der IR finden Sie Information, in welchem Kontext sich der Engraver normalerweise befindet.


LilyPond – Learning Manual v2.24.3 (stabiler Zweig).